Der Spagat zwischen Geldnot und Gönnen

Money Management in der Studienzeit

Studierende, die Woche für Woche im gleichen Hof chillen, scheinen manchmal in Parallelwelten zu leben. Eine große Rolle spielt hierbei das Tabuthema schlechthin: Geld. Dass die Studienfinanzierung für jede*n über verschiedene Wege abläuft, ist kein Geheimnis. Einige werden zu 100 % von den Eltern finanziert, während andere Studienbeihilfe beziehen oder sieben Nebenjobs machen. Wie stark sich die Lebenswelten von Studierenden tatsächlich unterscheiden und welche Gemeinsamkeiten sich beim Money Management doch finden lassen, verraten die Uni-Wien-Studentinnen Leila, Anna und Alessia.

Die 28-jährige Leila studiert an der Uni Wien Molekularbiologie im Master. Sie hat 2013 angefangen und hat diesen Oktober ihre letzte Prüfung. Seit einem Jahr arbeitet sie 20 Stunden in der Woche als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Corona-Labor an der Donauuniversität für Weiterbildung in Krems. Um, wie sie es nennt, ihren „Spaß zu finanzieren“ und dafür vor allem bloß nicht ihre Eltern zu brauchen, hat sie direkt nach der Matura einen Samstagsjob im Verkauf gesucht. Sie hat insgesamt fünf Jahre lang bei Sports Direct gearbeitet. Für Leila gab es keine andere Option, als zu Beginn des Studiums ihr eigenes Geld zu verdienen. Es hat sie auch nicht gestört, Jobs zu machen, die nichts mit ihrem Studium zu tun hatten: „Ich bin mir für keinen Job zu fein. Ich gehe lieber arbeiten, als meine Eltern um Geld zu bitten. Nicht, weil sie mich nicht unterstützen würden, sondern weil ich der Meinung bin, dass es einfach nicht sein muss. Ich bin gesund und jung. Warum sollte ich nicht arbeiten? Die Unterstützung meiner Eltern hat sich darauf begrenzt, so lange, wie ich es gebraucht habe, zu Hause leben zu können, und das, ohne Miete zu zahlen. Das war schon mehr als genug finanzielle Hilfe ihrerseits. Das Geld, das ich verdient habe, konnte ich immer für mich alleine ausgeben. Für meinen Spaß, aber auch, um zu sparen.“


► Leila (28) hat direkt nach der Matura begonnen zu arbeiten, weil sie keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern annehmen wollte. 

Im Master hat Leila so oft wie zeitlich möglich Ferialpraktika gemacht, neben dem Studium Nachhilfe gegeben, bei Events mitgearbeitet und war sogar als Tutorin für biochemische Praktika an der Uni tätig. Da sie durch die (unbezahlten) Vollzeit-Pflichtpraktika ihres Curriculums keinen bezahlten fixen Job annehmen konnte, weil sie diesen sonst jedes Semester hätte kündigen müssen, hat sie sich mit mehreren unregelmäßigen Jobs finanziert und zu einem großen Teil von Ersparnissen gelebt, bis sie ihren aktuellen fixen Teilzeitjob hatte. Trotz ihres eisernen Arbeitswillens versteht Leila, dass es vor allem ab 20 Stunden enorm mühsam werden kann, wenn man das Studium gut abschließen will. 2018 wurde leider beschlossen, dass Studierende, die die vorgesehene Studienzeit um mehr als zwei Semester überschritten haben, wieder Studiengebühren zahlen müssen. „Bildung sollte für alle leistbar und zugänglich sein. Gerade wenn man Teilzeit oder Vollzeit einen Beitrag für die Wirtschaft leistet, sollte man nicht noch mit Studiengebühren bestraft werden!“, regt sie sich auf.


► Anna (27) wurde, wie die meisten aus ihrem Freundeskreis, in ihrer Studienzeit von ihren Eltern finanziert und weiß heute, dass das keine Selbstverständlichkeit war.

Deutlich mehr Freizeit als Studentin hatte die heute 27-jährige Anna. Sie hat Transkulturelle Kommunikation im Bachelor studiert und dann den Master in Translationswissenschaft (Polnisch und Englisch) gemacht. Für die Eltern der damals im ersten Semester erst 17-Jährigen war es selbstverständlich, sie während ihrer Studienzeit zu 100 Prozent zu finanzieren. Sie selbst meint, ihre Eltern hätten ihr zwar keine zu skurrilen Wünsche à la Auto erfüllt, aber selbst Geld zu verdienen für ihr Zimmer im Studierendenwohnheim, die Semestertickets, Skripten, Urlaub mit Freund*innen oder zum Weggehen am Wochenende war für sie nie ein Thema. Vollkommen transparent erzählt sie, dass sie nur dann arbeiten musste, wenn sie es wollte, z. B. wenn ihr in den Ferien langweilig war. So hat Anna in ihrer Bachelorzeit einen Ferialjob als Reiseführerin in der Staatsoper gemacht. Sie hat keine Lust darauf, Tatsachen herunterzuspielen, und erzählt, dass sie beim Bewerbungsgespräch nicht einmal gefragt hat, wie viel Geld sie verdienen würde, weil das in ihrem Fall schlichtweg keinen Unterschied gemacht hätte. Im Gegensatz zu ihren Eltern betrachtet Anna die totale finanzielle Unterstützung insbesondere jetzt als keine Selbstverständlichkeit. Sie erinnert sich: „In meinem engeren Freundeskreis wurden alle von den Eltern finanziert. Ich habe es zuerst nicht großartig hinterfragt. Eine Freundin hat eine Eigentumswohnung bekommen, einigen wurden tatsächlich Autos gekauft. Etwas später habe ich andere Leute kennengelernt und verstanden, dass das alles in keinster Weise die Norm war. Ich habe mich vielleicht sogar dafür geschämt, dass mir vorne und hinten geholfen wird, und nicht offen darüber geredet, so wie ich es heute gerne mache.“

► Alessia (26), die für ihr Studium von München nach Wien gezogen ist, hat ihre Fixkosten zum größten Teil mit BAföG bezahlt und nebenbei arbeiten müssen, da sie nicht von ihrer Familie unterstützt werden konnte.

Eine weitere bzw. gänzlich andere Perspektive bezüglich Finanzierung im Studium bietet Alessia. Die 26-Jährige studiert Vergleichende Literaturwissenschaft/Komparatistik im Master. Sie ist 2016 für ihr Studium aus München nach Wien gezogen und hat auch ihren Bachelor an der Uni Wien gemacht. Den Großteil ihres Lebens finanziert sie mit Studienbeihilfe aus Deutschland (BAföG-Staatsdarlehen!) Sie verrät: „Ohne die Studienbeihilfe hätte ich nicht nach Wien kommen können. Alles andere war bei mir keine Option. Zu Beginn meines Studiums war es so, dass ich meinen Vater nicht einmal um 300 Euro bitten konnte. Er wollte mich natürlich immer unterstützen, aber es ging nicht, da er lange Zeit keinen Job hatte. Ich wusste ganz genau, dass ihm dann etwas fehlen würde, und habe dann lieber nicht gefragt. Momentan ist alles ganz gut, aber ich hatte auch Phasen, in denen ich innerlich diesen enormen Stress hatte, bloß nicht in eine Lage zu kommen, in der es mit dem Geld nicht hinhaut.“ Aus diesem Grund arbeitet sie trotz Beihilfe als Verkäuferin im 7. Bezirk. Dazu sagt sie: „Die Studienbeihilfe kriege ich noch bis Anfang nächsten Jahres und dann ist die Obergrenze erreicht. Und na ja, mal schauen … Da muss ich auf jeden Fall mehr Stunden arbeiten, um mir das Studium und das Leben hier finanzieren zu können.“

Leben zwischen Sparen, Excel-Tabellen, Finanzmanagement Apps … und ein bisschen Gönnen

Obwohl alle drei bisher so unterschiedliche Finanzierungswege hatten, scheinen ihre Einstellungen, was Finanzmanagement betrifft, nicht groß voneinander abzuweichen. Keine der drei lebt nämlich übermäßig verschwenderisch. Um Vorurteile direkt zu entkräften: Nein, auch Anna nicht. Sie erzählt: „Ich war trotz totaler Finanzierung durch meine Eltern nie total überschwänglich, was Ausgaben angeht. Ich achte ganz genau darauf, wie viel Geld ich ausgebe. Bevor mein Partner und ich einkaufen gehen, schauen wir zuerst, wo es Angebote gibt, und fahren dann dorthin. Wir kaufen auch viel auf Willhaben.“ Für einen Finanzüberblick hat sie zu Beginn ihrer Studienzeit allerdings nicht gesorgt: Im Master hat Anna selbst angefangen zu arbeiten und dann bald begonnen, eine Excel-Liste für Ausgaben und Einnahmen zu führen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel sie im Monat braucht, wie viel sie einnimmt und wie viel ihr am Ende bleibt. Sie sagt: „Das mache ich aktuell noch immer. In die Liste kommt wirklich alles rein, auch wenn es nur ein Öffi-Ticket ist. Man darf den Überblick nicht verlieren.“

Muss man in der Studienzeit auf „unnötige Ausgaben“ à la Restaurantbesuche und Shopping verzichten, wenn keine Unmengen an Geld vorhanden sind? Alessia meint, dass sie zwar dazu tendiert, im Alltag sparsam zu sein, da sie Zeiten, in denen es finanziell kritischer war, durchaus geprägt haben. Dennoch erlaubt sie sich ihren verdienten Spaß: „Ich gehe sehr gerne essen, Klamotten kaufen und fahre mit Freund*innen auf Urlaub, sofern es sich ausgeht. Wenn ich in einem Monat mehr Geld zur Verfügung habe, weil ich vorher gespart habe, macht es keinen Sinn, total auf die schönen Dinge zu verzichten. Auf diese Art verbiete ich mir auch nichts – da bin ich vom Typ her nicht so gepolt“, erklärt sie. Was Money Management angeht, hat sie zu Beginn ihrer Studienzeit die App Money Control genutzt: „Man muss am Anfang eingeben, wie viel Geld man im Monat zur Verfügung hat. Dann gab es Kategorien und man konnte auswählen, wofür man sein Geld ausgegeben hat. Jetzt mach ich das so, dass ich einfach auf mein Konto schaue und mir am Anfang ausrechne, wie viel ich abzüglich der ganzen Sachen, die fix abgebucht werden, dann noch am Konto habe, weil ich schon ein Gefühl dafür entwickelt habe, wie viel ich ausgeben kann."

Leila glaubt, dass sie insbesondere deswegen gut mit Geld umgehen kann, da sie lange mit 400 Euro im Monat auskommen musste. Sie beschreibt sich als Person, die, was Geld angeht, immer zwei Schritte weiterdenken will. So hat sie, als sie durch Ferialpraktika auf einen Schlag mehr Geld zur Verfügung hatte, sofort einen großen Teil davon auf die Seite gelegt. Sie erinnert sich: „Bis zum 25. Lebensjahr habe ich das so gehandhabt. Erst als ich einen fixen Job hatte, habe ich mehr ausgegeben, vor allem für Reisen, weil ich da wusste, dass ich im nächsten Monat nicht struggeln werde. Sobald ich aber merke, dass ich ich knapp bei Kasse bin, switche ich wieder auf Sparmodus um. Ich würde das Risiko, für Spaß ohne Geld dazustehen, nie eingehen.“ Was Hilfe bei der Planung betrifft, empfiehlt sie die George App von der Ersten Bank: „Die App ist genial. Es gibt Diagramme, die einem zeigen, wann man wie viel ausgegeben hat. Man kann mehrere Konten anlegen, auch ein Sparkonto haben, das kostenlos ist, eine Kreditkarte auch."

Final Tips: Finanzpolster für Krisenzeiten und Networking

Als ich nach einem Tipp an andere Studierende frage, sagt Alessia lachend: „Sucht euch so schnell wie möglich einen Job. Und achtet auch darauf, dass ihr im Monat mindestens 20 Euro zurücklegt, für Notfälle, denn man weiß nie, wann sie kommen. Vielleicht rettet dieses Polster euch dann einmal davor, die Monatsmiete nicht zahlen zu können!“ Leila ist ihrer Meinung und fügt hinzu, dass man sich für keinen Nebenjob zu schade sein soll. Sie sagt: „Ob Nachhilfe geben, bei Events mitarbeiten oder draußen Flyer verteilen – macht es! Was ich nämlich aus meiner Zeit als Studentin vor allem mitgenommen habe ist, dass man so viele Leute bei scheinbar ‚unwichtigen‘ Nebenjobs kennenlernt, die einem im Leben aber richtig weiterhelfen können. Ein Netzwerk für eure Zukunft!“


Autorin: Šemsa Salioski

Dieser Artikel ist im Karrieremagazin Rise erschienen.